Ebenso wie bei uns Menschen können Pflegeeltern auch in der Welt der Tiere eine wichtige Rolle spielen.
Löwenbabys
Früher war Burgers’ Zoo beispielsweise weltberühmt für seine erfolgreiche Löwenzucht. Liegt heute in einem Zoo derart wertvolles Wissen über die Tierzucht vor, so wird es sofort mit anderen Zoos geteilt. Zu Anfang des vorigen Jahrhunderts jedoch hat man Know-how dieser Art noch ängstlich gehütet, wie ein Geheimrezept, das im Familienbesitz bleiben musste und das man als Zoo nur zu seinem eigenen Vorteil nutzte. In der Zeit, in der Burgers’ Zoo in der Löwenzucht ungewöhnlich erfolgreich war, hing dies auch damit zusammen, dass bei der Aufzucht von Löwenbabys regelmäßig Hunde als Pflegemütter eingesetzt wurden. Auf diese Lösung griff man dann zurück, wenn eine Löwin zu wenig Milch für ihre Jungen produzierte, zu unerfahren war oder die Jungen aus einem anderen Grund verstoßen hatte. Je länger die Löwenjungen mit einer Hündin aufwuchsen, die sie täglich säugte, umso mehr betrachteten sie diesen Hund als ihre eigene Mutter. Das führte mitunter zu dem paradoxen Schauspiel, dass ein fast ausgewachsenes Löwenjunges, das zweimal so groß und um ein Vielfaches schwerer und stärker war als die Hündin, ganz brav dem Bellen der Ziehmutter gehorchte.
Gorillajunges
Bei mehreren Tierarten, die im Gruppenverband leben, sammeln Jungtiere wertvolle Erfahrungen, indem sie ältere Gruppenmitglieder bei der Aufzucht der Jungen beobachten. Vor allem, wenn die natürlichen Eltern ihnen gestatten, selbst ab und zu mit einem so überaus interessanten Neuzugang zu „experimentieren“, lernen sie wichtige Lektionen für den Rest ihres Lebens. Dieses Phänomen lässt sich beispielsweise bei Gorillas beobachten: Wenn ein älteres Gorillajunges einen neugeborenen Artgenossen falsch hält und das Kleine nach seiner Mutter schreit, kann der Schüler einen tadelnden Klaps erwarten. Beim nächsten Mal hält er das Neugeborene dann mit Sicherheit richtig! Auch sehen junge und pubertierende Gorillas mit großem Interesse zu, wenn ein Weibchen ihr Junges säugt. Wie sie es anlegt, wie sie es beim Säugen hält: All das ist „Anschauungsmaterial“ für die spätere Praxis, wenn die Jungtiere selbst Nachwuchs bekommen. Ebenso wie beim Menschen findet bei den Tieren eine wichtige Wissensvermittlung statt, wenn die Erfahrung des älteren Tiers auf das Junge übertragen wird.
Vogelküken
Pflegeeltern werden auch bei verschiedenen Vogelarten eingesetzt. In den meisten Fällen übernehmen brutfähige Hühner die Aufgabe als Elternersatz. Wenn beispielsweise eine exotische Vogelart zwar befruchtete Eier legt, aber kein Brutverhalten zeigt, kann so ein Pflegehuhn willkommene Dienste leisten. Die befruchteten Eier werden unter das Huhn gelegt und wenn sie ausgebrütet sind, gehen die Vogelküken von selbst davon aus, dass das Huhn ihre biologische Mutter sein muss. Andersherum gibt man manchmal auch Hühnerküken in die Obhut z.B. eines Trompetervogels, damit er Erfahrungen mit der Aufzucht von (Hühner-)Jungen sammeln kann. Dahinter steht die Hoffnung, dass der Trompetervogel aufgrund dieser praktischen Erfahrung eines Tages seine eigenen Jungen ebenfalls erfolgreich aufziehen kann. Es ist allerdings notwendig, das natürliche Verhalten beider beteiligten Tierarten gut zu kennen. Wenn man einen Schwan Hühnereier ausbrüten lässt, wird es den Hühnerküken sicherlich gut gehen. Allerdings nur bis zu dem Moment, in dem die Schwanenmutter ihren Jungen das Schwimmen beibringen will und mit ihrer Kinderschar geradewegs in den nächsten Teich steigt …
Pflegemutter Kuif
Bei den Schimpansen hatte der Burgers‘ Zoo mit „Kuif“ sogar eine ganz berühmte Pflegemutter. Die biologische Mutter des Schimpansenbabys Roos war gehörlos. Sie konnte die Signale ihres Jungen nicht hören und reagierte folglich nicht adäquat. Darum wurde Roos vorübergehend von den Tierpflegern versorgt. Sie gaben ihr die Flasche, wie sie es bei einem Menschenbaby gemacht hätten. Im Idealfall zieht jedoch eine andere Schimpansin das Junge auf, denn sonst besteht die Gefahr, dass es sich für einen Menschen, statt für einen Schimpansen hält. Die Tierpfleger fütterten Roos deshalb in Sichtweite der anderen Schimpansen. Das erwachsene Schimpansenweibchen Kuif sah mit großem Interesse zu. Am Ende gelang es, Roos an Kuif zu übergeben, die sie in der Arnheimer Schimpansengruppe zu einer echten Schimpansin erzogen hat. Roos wurde später selbst eine gute Mutter. Eine schöne Erfolgsgeschichte!
Orang-Utans Pflegeeltern
Zum Schluss gibt es mit den Orang-Utans noch eine dritte Menschenaffenart, bei denen Artgenossen regelmäßig erfolgreich die Rolle von Pflegeeltern übernehmen. Bei diesen charismatischen Menschenaffen wurde im Burgers‘ Zoo einmal eine erfahrene Pflegemutter eingesetzt, weil die biologische Mutter des Jungen gleich nach der Geburt gestorben war. Es kommt aber auch vor, dass eine Mutter einfach aus Unerfahrenheit oder anderen Gründen nicht gut für ihr Junges sorgen kann. In einer solchen Situation kann ein erfahrenes Weibchen als Pflegemutter eine hervorragende Lösung sein: Das Junge wächst wie ein echter Orang-Utan auf und kann später selbst die Elternrolle übernehmen, weil es sie von seiner Pflegemutter gelernt hat.
Pflegeeltern können also, ebenso wie beim Menschen, auch in der Tierwelt eine sehr wertvolle Aufgabe erfüllen!