Der Minotaurus ist eine Gestalt aus der griechischen Mythologie. Er hat den Körper eines Mannes, aber den Kopf und den Schwanz eines Stieres. Um den großen schweren Stierkopf tragen zu können, ist die Gestalt sehr muskulös. Der Minotaurus ist ein geschickter Jäger, unglaublich stark und sehr gerissen. Der Name „Minotaurus“ bedeutet „Stier des Minos“.
Vor viertausend Jahren war Kreta ein mächtiges, wohlhabendes Königreich. Viele andere griechische Stadtstaaten waren verpflichtet, Kreta, dem mächtigsten Stadtstaat von allen, Tribut zu zahlen. König Minos von Kreta bat den Meeresgott Poseidon um ein Zeichen, das beweisen sollte, dass er der rechtmäßige König dieses Stadtstaates war und nicht sein Bruder, der ihm den Thron streitig machte. Zum Dank wollte er, was immer aus dem Meer entsteigen würde, dem Gott Poseidon opfern. Der Meeresgott sandte daraufhin einen prächtigen weißen Stier, der Minos so gut gefiel, dass er sein Versprechen brach und das Tier am Leben ließ. Aus Wut darüber entfachte Poseidon in Minos’ Frau Pasiphaë eine leidenschaftliche Liebe zu dem Stier. Ihr Begehren war so groß, dass sie dem Baumeister Daedalus befahl, etwas zu erfinden, damit sie sich mit dem Stier vereinen könnte. Daedalus baute für sie eine Kuhfigur aus Holz, die den Stier verführen sollte, während sich Pasiphaë darin verbarg. Aus ihrer Vereinigung ging der Minotaurus hervor, der auf Kreta schrecklich wütete. Minos ließ daraufhin von Daedalus als Gefängnis für den Minotaurus ein Labyrinth bauen, aus dem niemand entkommen konnte. Menschen, die das Labyrinth betraten, verirrten sich hoffnungslos, bis sie schließlich von dem Ungeheuer gefressen wurden. Alle neun Jahre wurden sieben Jünglinge und sieben Jungfrauen als Opfer für den Minotaurus in das Labyrinth geschickt. In einigen Geschichten heißt es sogar, dass dieses Opfer jährlich dargebracht wurde.
Es war der König von Athen, der die sieben Jünglinge und Jungfrauen für den Minotaurus nach Kreta schickte. Damit zahlte er Minos einen Tribut dafür, dass dessen Sohn in der Nähe von Athen ermordet worden war. Als das Menschenopfer zum dritten Mal stattfinden sollte, mischte sich der Sohn des Athener Königs unter die Gruppe der Opfer, weil er den Minotaurus bezwingen wollte. Sein Name war Theseus und er war schon als Jüngling ein hervorragender Kämpfer. Ariadne, die Tochter des Königs Minos, verliebte sich sofort in ihn. Sie gab ihm nachts heimlich ein Schwert und einen Faden. Mit diesem sollte er aus dem Labyrinth wieder herausfinden, wenn er ihn am Eingang befestigen und im Labyrinth abwickeln würde. Im Labyrinth traf Theseus auf den Minotaurus, umgeben von blutigen Fleischbrocken und zersplitterten Knochen. Das ganze Labyrinth stank nach Fäulnis und Verwesung. Mit dem Schwert, das er von Ariadne bekommen hatte, schlug Theseus auf die gefährlichen Hörner ein und hielt sich die würgenden Hände vom Leib. Schließlich gelang es ihm, den Minotaurus zu töten, indem er von hinten seinen Kopf ergriff, mit einem Ruck zu sich heranzog und ihm die Kehle durchschnitt. Ariadne öffnete die Tür des Labyrinths, ließ Theseus und die anderen Athener heraus und floh mit ihnen zu ihrem Schiff. Auf dem Weg nach Athen musste Theseus Ariadne jedoch schlafend auf der Insel Naxos zurücklassen.
Theseus hatte mit seinem Vater Ägeus, dem König von Athen, vereinbart, dass das Schiff auf der Rückfahrt von Kreta unter weißen Segeln fahren würde, wenn alles gut gegangen wäre. Wenn die Reise einen schlechten Ausgang genommen hätte, sollten die Segel schwarz sein. Auf der Hinfahrt nach Kreta wurden die schwarzen Segel gehisst, weil alle Athener fürchteten, dass die sieben Jungfrauen und Jünglinge ihrem Tod entgegensegelten. Bei der Rückkehr vergaß Theseus jedoch die Abmachung und so segelte das Schiff mit schwarzen Segeln nach Athen zurück. König Ägeus, der auf einem hohen Felsen Ausschau nach dem Schiff hielt, erblickte zu seinem großen Kummer die schwarzen Segel. Verzweifelt über seinen totgeglaubten Sohn verlor er jeglichen Lebenswillen und stürzte sich von der hohen Klippe ins Meer. Fortan sollte das Meer für alle Zeiten nach ihm benannt werden: das Ägäische Meer.